Graz (OTS) – Während Klimakrise und Flächenverbrauch die Natur weiter
unter Druck
setzen, werden jene Stimmen geschwächt, die Probleme aufzeigen und
Veränderung einfordern. Die Alpenvereine aus Österreich, Deutschland
und Südtirol sowie zahlreiche Umweltorganisationen schlagen Alarm:
Die Politik schränkt Beteiligungsrechte unabhängiger Akteure
systematisch ein – mit gravierenden Folgen für Natur und Demokratie.
Der aktuelle Umweltkontrollbericht des Umweltbundesamts offenbart
in vielen Bereichen ein alarmierendes Bild: Klimawandel und
Biodiversität bleiben die zentralen Herausforderungen. Rund 80
Prozent der nach EU-Recht geschützten Lebensräume in Österreich sind
ökologisch beeinträchtigt. Besonders betroffen sind Fließgewässer,
Feuchtgebiete, Moore und alpine Lebensräume – also jene Regionen, in
denen auch die Alpenvereine aktiv sind. „Die Natur steht unter großem
Druck“, betont Wolfgang Schnabl, Präsident des Österreichischen
Alpenvereins im Vorfeld der Jahreshauptversammlung in Graz. Umso
wichtiger sei es jetzt, jene Stimmen zu stärken, die auf
Fehlentwicklungen hinweisen und Alternativen aufzeigen: „Stattdessen
erleben wir, wie das Mitspracherecht unabhängiger Umweltakteure
systematisch geschwächt wird.“
Zwtl.: Massive Einschränkung von NGOs und Umweltinstanzen
Unterstützung erhält Schnabl von seinen Amtskollegen Roland
Stierle (Deutscher Alpenverein, DAV) und Georg Simeoni (Alpenverein
Südtirol, AVS) sowie zahlreichen Naturschutzorganisationen wie WWF,
Naturfreunde, Umweltdachverband und Global 2000.
In Videostatements warnen sie vor aktuellen Entwicklungen, etwa
in der Steiermark , wo Anfang des Jahres die anerkannte
Umweltanwältin Ute Pöllinger nicht wiederbestellt wurde – ein
Schritt, den viele als politisch motivierte Abberufung werten.
In Salzburg ist seit Ende 2024 die Umweltanwaltschaft mittels
Gesetzes von vielen Verfahren ausgeschlossen und hat ihr
Revisionsrecht an den Verwaltungsgerichtshof verloren.
In Tirol wird mit dem 2. Erneuerbaren-Ausbau-
Beschleunigungsgesetz (EABG), die Parteistellung von NGOs deutlich
eingeschränkt. Auch die nationale Fassung des EABG, deren
Stellungnahmefrist in wenigen Tagen endet, geht in die gleiche
Richtung.
„Mehr denn je braucht die Natur eine starke Stimme – und die
Demokratie braucht kritische Beteiligung. Wenn Umwelt-NGOs und
unabhängigen Umweltinstanzen gezielt ihre Rechte genommen werden, ist
das ein gefährlicher Angriff auf beides.“, so Wolfgang Schnabl .
Georg Simeoni, Präsident des Alpenvereins Südtirol kritisiert den
starken Einfluss der Wirtschaft auf die Gesetzgebung: „Für Betreiber
von Liftanlagen, die Skigebiete erweitern wollen, für die
Energiewirtschaft, die mit Großprojekten die letzten unberührten
Landschaften und Ökosysteme gefährden, ist unser Einsatz
höchstwahrscheinlich hinderlich und nicht erwünscht“.
Zwtl.: Schnellere Verfahren auf Kosten des Naturschutzes?
Verfahren zu beschleunigen und zu vereinfachen wird auf EU-Ebene
forciert, etwa durch die RED-III-Richtlinie zur Förderung
erneuerbarer Energien. Auch die Fauna-Flora-Habitat-Richtline (FFH-
Richtlinie) für geschützte Lebensräume droht aus Gründen der
Vereinfachung aufgeweicht zu werden. Eine rasche Abwicklung von
Verfahren liege im Interesse aller Akteure, dies dürfe allerdings
nicht auf Kosten des Naturschutzes geschehen. Roland Stierle,
Präsident des Deutschen Alpenvereins (DAV) , erinnert deshalb an die
Bedeutung der Alpenkonvention, die 1991 zum Schutz und zur
nachhaltigen Entwicklung der Alpen zwischen den acht Alpen-Staaten
und der EU unterzeichnet wurde. Sie ist ein verbindlicher Maßstab für
alle Interessensgruppen: „Der Überprüfungsausschuss der
Alpenkonvention im Juni 2024 hat klargestellt, dass die
Alpenkonvention über anderen EU-Richtlinien und -Verordnungen steht
und daher stets beachtet werden muss“, so Stierle .
Wie wichtig Beteiligungsrechte sind, zeigt das aktuelle Beispiel
des Verfahrens zum Ausbau des Kraftwerks Kaunertal . Der
Österreichische und der Deutsche Alpenverein, der in Österreich
zahlreiche Hütten und Wege unterhält, haben als anerkannte
Umweltorganisationen Parteistellung beantragt, um den geplanten
Speicherbau im hochalpinen Platzertal kritisch zu begleiten. Das
Platzertal ist ein ökologisch besonders wertvolles Feuchtgebiet.
Roland Stierle und Wolfgang Schnabl betonen, dass die Parteistellung
keine lästige Formalität sei: “Wir bringen damit unsere Perspektiven
in das Verfahren ein und stellen somit sicher, dass auch die
Argumente des Naturschutzes mit Nachdruck gehört und in die
Entscheidungsfindung einbezogen werden.”