Wien (OTS) – Zwei Vorhaben mit Auswirkungen auf die Medikamenten-
Versorgungssicherheit stehen heute auf der Tagesordnung des EU-Rates
für Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz (
EPSCO): Der „Critical Medicines Act“ enthält durchaus positive
Ansätze, etwa das Bestbieterprinzip, das eine Bevorzugung
europäischer Produkte ermöglicht, sowie die geplante Verkürzung von
Genehmigungsverfahren für neue Betriebsansiedlungen. Zu befürchten
ist aber, dass die geplanten gemeinsamen Ausschreibungen zu noch mehr
Preisdruck und in weiterer Folge weniger Anbietern führen würden.
Ebenso wurde die Chance auf EU-weit abgestimmte Regelungen zur
Bevorratung verpasst.
Gleichzeitig sorgt die Novellierung der Kommunalen Abwasser-
Richtlinie KARL weiterhin für Alarmstimmung in der pharmazeutischen
Industrie. Besonders die erweiterte Herstellerverantwortung, die
Pharma- und Kosmetikunternehmen künftig zur Finanzierung einer
vierten Reinigungsstufe verpflichten soll, wird die ohnehin schon
angespannte Versorgungssicherheit weiter reduzieren. Deshalb wird
beim heutigen EPSCO-Rat von einigen Mitgliedstaaten – darunter auch
Österreich – eine vertiefte Analyse der Preis- und Versorgungseffekte
einfordert.
„ Eine Richtlinie dieser Tragweite darf nicht ohne fundierte
Folgenabschätzung umgesetzt werden, die auf die Versorgungssicherheit
Rücksicht nimmt. Wir sehen es als positives Signal, dass die
österreichische Regierung im Sinne der heimischen Patienten nun dafür
auf Brüsseler Ebene eintritt “, erklärt Sylvia Hofinger,
Geschäftsführerin des Fachverbands der Chemischen Industrie
Österreichs (FCIO).
Zwtl.: Ziel richtig, Umsetzung nicht praxistauglich
Mit einer vierten Reinigungsstufe soll die Belastung durch
Mikroschadstoffe reduziert werden – ein grundsätzlich sinnvolles
Ziel. Die nun vorliegende Richtlinie ist dafür jedoch kein taugliches
Instrument, weil zentrale rechtliche Grundsätze wie das Verursacher-
und Verhältnismäßigkeitsprinzip missachtet werden. Die Europäische
Kommission stellt Pharma- und Kosmetikunternehmen als
Hauptverursacher dar, obwohl wissenschaftliche Studien zeigen, dass
ihr Beitrag nur rund 14 Prozent ausmacht. Auch die eigenen Daten der
Kommission weisen den größten Teil der toxischen Belastung – etwa 70
Prozent – dem Stoff Nonylphenol zu, der in der EU seit über 20 Jahren
verboten ist und vor allem aus importierter Billigmode aus Fernost
stammt. „ Zugespitzt ausgedrückt: Die Pharma- und Kosmetikfirmen
sollen künftig dafür zahlen, dass Schadstoffe, die aus der
sogenannten Wegwerfmode ins Abwasser kommen, wieder herausgefiltert
werden “, erklärt Hofinger.
Die ursprüngliche Kostenabschätzung der EU-Kommission lag um den
Faktor 10 daneben. Für Österreich ist mit jährlichen Mehrkosten von
rund 150 Mio. Euro zu rechnen. „ Bei Produkten mit ohnehin knappen
Margen führt jede zusätzliche Kostenlast dazu, dass Medikamente vom
Markt verschwinden. Hier wird vermeintlicher Umweltschutz auf dem
Rücken der Patient:innen betrieben “, warnt Hofinger. Besonders
gefährdet wären essenzielle Wirkstoffe wie gängige Antibiotika,
Schmerz- und Fiebermittel sowie Herz-Kreislauf-Präparate, also die
Basisversorgung.
Zwtl.: Wachsende Kritik aus Europa erhöht Reformdruck
Polen und mehrere europäische Verbände haben wegen der genannten
Rechtsverstöße bereits Klage vor dem EuGH gegen die KARL eingebracht.
Auch der heutige Vorstoß im EPSCO-Rat, die Preis- und
Versorgungsfolgen offiziell prüfen zu lassen, erhöht den politischen
Druck auf die Kommission.
Der FCIO fordert daher – wie bei anderen EU-Omnibus-Vorhaben –
ein „Stop the Clock“ und eine vollständige Überarbeitung der
Richtlinie. Die Umsetzung muss verschoben werden, um einen
tragfähigen Rechtsrahmen zu schaffen. Gerade Österreich zeigt als
Vorreiter in der Abwasserreinigung, dass das bestehende System gut
funktioniert und sinnvoll ausgebaut werden könnte.
„ Die KARL ist ein Bürokratiemonster. Die österreichische
Bundesregierung hat sich Entbürokratisierung auf die Fahnen geheftet,
bei der KARL muss sie nun zeigen, dass sie es ernst damit meint. Die
heutige Positionierung beim EPSCO war ein erster wichtiger Schritt,
nun braucht es weiteren Druck auf die Kommission, um die Fehler der
letzten Periode zu korrigieren “, appelliert Hofinger – „ die Zeit
des Redens ist vorbei .“
Über den FCIO
Der Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) ist die
gesetzliche Interessenvertretung der chemischen Industrie in
Österreich. Die etwa 230 Mitgliedsunternehmen produzieren in
unterschiedlichen Sektoren z. B. Pharmazeutika, Kunststoffe und
Kunststoffwaren, Fasern, Lacke, Düngemittel sowie organische und
anorganische Chemikalien. Die mehr als 50.000 Beschäftigten der
Branche stellten 2024 Waren im Wert von 19,3 Milliarden Euro her.
www.fcio.at