WWF: EU-Kommission gefährdet Wasser-Schutz

Brüssel/Wien (OTS) – Der WWF Österreich schlägt Alarm: Weitgehend
unbemerkt von der
Öffentlichkeit hat die Europäische Kommission am Mittwoch verkündet,
die Wasserrahmenrichtlinie bis Mitte 2026 zu überarbeiten –
unmittelbar nachdem die größte Lobbygruppe der Bergbau- und
Metallindustrie (Euromines) entsprechende Forderungen erhoben hatte.
„ Das ist eine sehr rücksichtslose Entscheidung, weil sie die Tür für
massive Verschlechterungen im Wasserschutz öffnet. Es drohen
schwächere oder ganz gestrichene Standards auf Kosten der
Biodiversität und der Gesundheit von Millionen Menschen in ganz
Europa “, sagt WWF-Expertin Bettina Urbanek. „Unter dem Deckmantel
des Abbaus kritischer Rohstoffe stehen konkrete Rückschritte und die
Streichung bewährter Regeln im Raum. Gerade angesichts des
politischen Deregulierungsklimas ist ein Aufmachen dieser Umwelt-
Richtlinie entweder höchst naiv oder völlig verantwortungslos“,
kritisiert Bettina Urbanek scharf. Denn die Wasserrahmenrichtlinie
verankert rechtsverbindliche Standards zum Schutz von Flüssen, Seen,
Grundwasser und Küstengewässern.

Setzen sich diverse Industrie-Vorschläge durch, würde das in der
Praxis zur deutlichen Zunahme wasserverschmutzender Projekte führen,
warnt WWF-Expertin Bettina Urbanek. Denn wie ein kürzlich
präsentierter Report der Umweltkoalition „Living Rivers Europe“
enthüllt, steht die Richtlinie im direkten Visier von Teilen der
Energie-, Chemie-, Bergbau- und Agrarlobby. Zu deren Forderungen
zählt zum Beispiel, dass das Verschlechterungsverbot für den Zustand
von Gewässern und Grundwasservorkommen gestrichen wird. Somit würde
es wieder zu mehr Verschmutzungen durch industrielle oder
landwirtschaftliche Prozesse kommen. Darüber hinaus wollen die
Lobbygruppen das zentrale Ziel, bis 2027 alle Gewässer in einen
„guten“ ökologischen und chemischen Zustand zu bringen, möglichst
weit nach hinten schieben.

Außerdem zu Fall bringen wollen die untersuchten Industrieverbände
das „one-out-all-out“-Prinzip. Dieses regelt, dass die finale
ökologische Bewertung eines Gewässers sich nach der am schlechtesten
abschneidenden Teilkomponente ausrichtet. Fällt das, könnten Gewässer
und Grundwasservorkommen zum Beispiel durch den Eintrag bestimmter
Chemikalien massiv im roten Bereich sein, aber dennoch eine gute
Gesamtbewertung bekommen. „Das wäre, als ob man einem Gebäude, dessen
Fundament verrottet ist, dennoch einen guten Zustand bescheinigt,
weil die Wände weiß gestrichen sind“, sagt Bettina Urbanek vom WWF.

„Finger weg von der Richtlinie“
„Wir fordern die EU-Kommission mit Nachdruck auf, sich nicht den
einseitigen Interessen einzelner Industrieverbände zu beugen und die
Finger von der Richtlinie zu lassen. Sie wirkt, sie schützt und ist
für Europas Gewässer, die Grundwasserqualität und die
Ernährungssicherheit unverzichtbar“, sagt WWF-Expertin Bettina
Urbanek. Ein Beleg dafür ist insbesondere der von der EU-Behörde
selbst durchgeführte „Fitness-Check“ im Jahr 2019 als die Richtlinie
als modern, notwendig und wirksam eingestuft worden ist.

Hintergrund zur Wasserrahmenrichtlinie (WRRL)
Die Wasserrahmenrichtlinie ist das wichtigste Wasserschutzgesetz in
der EU (WRRL, 2000/60/EG) und Teil des österreichischen Wasserrechts.
Eine Schwächung hätte verheerende Folgen für die EU-Gewässerpolitik
und würde auch die EU-Wasserresilienzstrategie (WRS) zum Scheitern
bringen. Diese wurde erst vor wenigen Monaten beschlossen und wird
von den Mitgliedstaaten und einem breiten Spektrum von
Interessengruppen unterstützt.

Die im Jahr 2000 beschlossene Wasserrahmenrichtlinie macht für
Flüsse, Seen, Übergangsgewässer, Grundwasser und Küstengewässer
Vorgaben zum Schutz und zur Verbesserung dieser Ökosysteme. Bereits
vor einigen Jahren hatte es Druck von Industrieverbänden gegeben, die
Wasserrahmenrichtlinie an zentralen Punkten aufzuweichen. Nach einer
Prüfung behielt die EU-Kommission die Richtlinie unverändert bei. Im
Laufe dieses Prozesses stimmten mehr als 375.000 Bürger:innen dafür,
dass die Richtlinie unverändert erhalten und von den nationalen
Regierungen besser umgesetzt wird.