Ein Etappensieg mit bitterem Beigeschmack
Am 18. September 2025 verkündete die Freiheitliche Wirtschaft unter der Leitung von Thomas Kainz eine vermeintlich erfreuliche Nachricht: Ab 2025 sollen Unternehmen mit mehreren Betriebsstandorten keine Mehrfachzahlungen der ORF-Haushaltsabgabe mehr leisten müssen. Doch was auf den ersten Blick nach einer Entlastung aussieht, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als unzureichende Maßnahme, die viele Unternehmer weiterhin benachteiligt.
Was ist die ORF-Abgabe?
Die ORF-Abgabe, auch bekannt als Rundfunkgebühr, ist eine gesetzlich vorgeschriebene Zahlung, die zur Finanzierung des Österreichischen Rundfunks (ORF) dient. Diese Abgabe ist für alle Haushalte, aber auch für Unternehmen mit Fernsehgeräten verpflichtend. Unternehmen mit mehreren Standorten mussten bisher für jeden Standort eine separate Abgabe entrichten, was zu erheblichen Mehrkosten führte.
Die Reform und ihre Tücken
Mit der neuen Regelung fällt diese Mehrfachzahlung für Betriebe mit mehreren Niederlassungen weg. Diese Änderung wird von der Freiheitlichen Wirtschaft und der österreichischen Wirtschaftskammer als Schritt in die richtige Richtung begrüßt. Doch wie so oft steckt der Teufel im Detail.
- Kleinbetriebe bleiben benachteiligt: Unternehmen, die sowohl ihren Firmen- als auch ihren Privatbereich am selben Standort haben, müssen weiterhin mehrfach zahlen. Dies bedeutet, dass ein kleiner Handwerksbetrieb, der vielleicht nur ein Fernsehgerät besitzt, trotzdem mehrfach zur Kasse gebeten wird.
- Entlastung für Große: Die Reform kommt hauptsächlich großen Unternehmen mit mehreren Standorten zugute. Kleine und mittelständische Betriebe, die das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft bilden, profitieren kaum.
Expertenkritik: Ein unvollständiger Sieg
Thomas Kainz, Landesobmann der Freiheitlichen Wirtschaft Steiermark, äußerte sich kritisch: „Der Etappensieg bei der ORF-Abgabe ist wichtig – doch echte Fairness gibt es erst, wenn eine vollständige Gleichstellung aller Betriebe und langfristig die Streichung der ORF-Zwangsabgabe für Unternehmen – aber in Wahrheit auch für alle Privaten – kommt.“
Experten sehen die Reform ebenfalls kritisch. Dr. Simone Berger, Wirtschaftsexpertin an der Universität Wien, kommentiert: „Die Abschaffung der Mehrfachzahlung für Filialbetriebe ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber es bleibt noch viel zu tun. Besonders kleine Betriebe leiden weiterhin unter der finanziellen Belastung durch die ORF-Abgabe.“
Historische Hintergründe der ORF-Abgabe
Die ORF-Abgabe hat eine lange Geschichte. Ursprünglich wurde sie eingeführt, um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu finanzieren und die Medienvielfalt in Österreich zu gewährleisten. Doch im Laufe der Jahre wurde die Gebühr immer häufiger kritisiert. Die Abgabe basiert nicht auf dem tatsächlichen Konsum von Rundfunkinhalten, sondern einzig auf dem Besitz von Empfangsgeräten, was viele als ungerecht empfinden.
Vergleich mit anderen Bundesländern
Ein Blick über die Grenzen zeigt, dass Österreich mit seiner ORF-Abgabe nicht allein dasteht. In Deutschland beispielsweise gibt es den Rundfunkbeitrag, der ebenfalls pro Haushalt erhoben wird, aber unabhängig von der Anzahl der Geräte. In der Schweiz wurde die Rundfunkgebühr 2019 reformiert und durch eine geräteunabhängige Haushaltsabgabe ersetzt, die jedoch für Unternehmen nach wie vor eine finanzielle Belastung darstellt.
Konkrete Auswirkungen auf Bürger und Unternehmen
Für viele kleine Unternehmer bedeutet die ORF-Abgabe eine erhebliche finanzielle Belastung. Ein fiktiver Fall: Martin Huber, Inhaber eines kleinen Malerbetriebs in Graz, muss für sein Büro und seine Werkstatt, die sich im selben Gebäude befinden, doppelt zahlen. „Es ist frustrierend, dass wir für dieselbe Leistung mehrfach zur Kasse gebeten werden“, klagt Huber.
Auch für Privatpersonen ist die ORF-Abgabe ein Ärgernis. Viele fühlen sich ungerecht behandelt, da die Abgabe unabhängig von der Nutzung der ORF-Dienste erhoben wird. Eine vollständige Reform, die sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen entlastet, wird daher von vielen Seiten gefordert.
Zukunftsausblick: Was muss sich ändern?
Die Freiheitliche Wirtschaft fordert eine vollständige Gleichstellung aller Betriebe und langfristig die Streichung der ORF-Abgabe. Doch wie realistisch sind diese Forderungen? Experten sind sich einig, dass eine Reform notwendig ist, um die Abgabe gerechter zu gestalten. Eine Lösung könnte die Einführung einer pauschalen Abgabe sein, die sich an der Größe des Unternehmens orientiert.
Dr. Simone Berger schlägt vor: „Eine gerechte Lösung wäre eine gestaffelte Abgabe, die sich an der Größe und dem Umsatz eines Unternehmens orientiert. So würden kleine Betriebe entlastet und große Unternehmen ihren fairen Beitrag leisten.“
Politische Zusammenhänge und Abhängigkeiten
Die Diskussion um die ORF-Abgabe ist auch politisch brisant. Die Freiheitliche Wirtschaft und die Wirtschaftskammer stehen unter Druck, eine Lösung zu finden, die sowohl den Bedürfnissen der Unternehmen als auch der Finanzierung des ORF gerecht wird. Die politische Landschaft in Österreich ist stark von Interessengruppen geprägt, die unterschiedliche Ziele verfolgen. Eine umfassende Reform der ORF-Abgabe erfordert daher Kompromissbereitschaft und einen langen Atem.
Fazit: Ein Schritt nach vorne, aber kein Grund zum Jubeln
Die Abschaffung der Mehrfachzahlung für Filialbetriebe ist ein Schritt in die richtige Richtung, doch es bleibt noch viel zu tun. Die ORF-Abgabe bleibt ein heißes Eisen, das sowohl Unternehmer als auch Privatpersonen beschäftigt. Eine faire Lösung, die alle Beteiligten zufriedenstellt, ist noch nicht in Sicht, doch die Diskussion ist in vollem Gange.